Der nächste Schritt (persönlich, kollektiv):
Vom Sterbepunkt in unserem Energiesystem

 

Vortrag für die internationale Konferenz von SEN Deutschland und SEN Amerika vom 15. – 20. September 1996
Aus dem Buch: Samuel Widmer (1998). Essenz schauen. Vom Ruhen im Urgrund allen
Seins. Die Spiritualität beginnt im Becken. Basic Editions. Schweiz. 1. Auflage. Seiten 415-426

Einleitung:
Krisen der Erde, Krisen der Seele, Chancen für ein neues Jahrtausend. Was ist unser nächster Schritt, wenn wir die gegenwärtige Krise als Chance nutzen wollen, kollektiv und persönlich, wenn wir nicht im ewig Gleichen stecken bleiben wollen?

Während der jahrelangen Beschäftigung mit psycholytischen Substanzen, nämlich LSD und MDMA – wir hatten in der Schweiz die Gelegenheit während sechs Jahren einen bewilligten Versuch durchzuführen -, erschloss sich uns sowohl in der eigenen Erfahrung durch Selbstversuche wie bei der Behandlung von anderen Menschen zunehmend ein Verständnis unseres Energiesystems, welches wir in den Workshops, die wir anbieten und in den Büchern, die wir veröffentlichen, zu vermitteln versuchen. Auf die Gesamtheit dieser Einsichten kann und will ich hier nicht eingehen, da wir uns vor allem einen besonderen Punkt, einem Transformationspunkt in unserem Energiekörper zuwenden wollen. Diesen Energiekörper verstehen wir dabei als eine Verdichtung im einen, ungeteilten Feld der universellen Energie, so wie wir alle scheinbar abgegrenzten Objekte als Verdichtungen in diesem Feld begreifen. 

Dabei müssen wir uns vergegenwärtigen, dass wir uns in der Regel mit drei Bewegungen, drei Energieflüssen, welche ineinander greifen, zu beschäftigen haben, wenn wir uns unserem Inneren zuwenden: Einmal mit der psychotherapeutischen, aufdeckenden, welche unterdrückte, verdrängte Anteile unseres Selbst wieder ins Bewusstsein heben will, und zweitens dann mit der spirituellen Bewegung, welche sich mit einem Erwachen für unsere Ganzheit, das heißt vor allem für die Existenz unseres bereits erwähnten Energiesystems und für seine Funktionsweise interessiert. Die psychotherapeutische, aufdeckende Bewegung verläuft von oben nach unten, da die Vermauerung, das heißt die Konditionierung und damit die muskuläre Panzerung von unten nach oben stattgefunden hat. Dies hat Wilhelm Reich seinerzeit mit seiner vegetotherapeutischen Forschung bereits schön nachgewiesen. Die spirituelle Bewegung verläuft von unten nach oben; das Erwachen für unser eigenes System beginnt in der Regel im Becken und arbeitet sich allmählich durch bis zu den Kopfzentren. So erfahren wir auch – nicht ausschließlich aber doch häufig – bei der Einnahme von psycholytischen Substanzen, welche uns zuerst für die Kraft, für die Problematiken, für die Gesetzmäßigkeiten des Beckens, der Sexualität wecken, uns dann das Reich des Willens im Solar erschließen und schließlich die Ebene von Gemeinschaft und Liebe im Herzen erfahren lassen, um uns dann auch noch zum freien Ausdruck im Hals und letztlich zu den transpersonalen und spirituellen Räumen im Energiereich des Kopfes zu führen. 
Die dritte Bewegung ist dann das Einfließen der universellen Energie, welche uns als Arbeitsenergie von unten schon immer begleitet hat, auch von oben her in unser System.

Die Struktur des menschlichen Energiekörpers:
Wenn wir also unsere Energie grob beschreiben, sehen wir, dass die Energie von unten, die eine, universelle Energie, sofern sie nicht behindert wird, was sonst eben den
psychotherapeutischen Prozess erforderlich macht, durch unser System fließt und sich auf den verschiedenen Ebenen verschieden ausdrückt: Im Becken als Sexualität, im Bauch als Willenskraft, im Herzen als Liebe und im Kopf als Stille. Sexualität und Wille sind dabei die kindlichsten Ausdrucksformen in uns, unsere kindlichste Möglichkeit zu lieben. 
Auf diesen beiden Zentren, die zusammen das Zentrum unserer Alltagspersönlichkeit bilden, begründet sich unsere egozentrische Persönlichkeit, das Ego, welches sich als abgegrenztes, für sich allein operierendes Wesen erfährt. Das Herz ist dann eine völlig neue Ebene, welche mit dem Zentrum des Ausdrucks im Hals eng verbunden ist und Sexualität und Willen umschließt, um ihnen eine neue Ausrichtung zu geben und sie auch wieder über den Hals zum Ausdruck zu bringen. 
Diese neue Gesamtheit können wir als den voll erwachten, erwachsenen, ganzen Menschen bezeichnen, der in seiner vollen Verantwortung steht und sich nicht mehr als abgegrenztes Wesen erlebt, sondern durch sein Bezogensein definiert. Wir haben dann zu einer reiferen, erwachseneren Form der Liebe gefunden. Die Kopfzentren erschließen dann nochmals eine nächsthöhere Integrationsebene, eine völlig neue Dimension, welche die Herzpersönlichkeit umfasst und sie im Universum verankert.
Ich würde sie als spirituelle Wesenheit bezeichnen, den Urquell der Liebe, die Matrix, aus der wir leben, ohne meist damit in Berührung zu sein.    
Wir begreifen also, dass unsere egozentrische Persönlichkeit, unser Ego also, auf den Energiezentren von Becken und Bauch, Sexualität und Wille, aufbaut, dass die ganze, erwachsene Persönlichkeit vor allem auf einen Erwacht-sein im Bereich des Herzens, dem Zentrum von Liebe und Gemeinschaft beruht, und die spirituelle Wesenheit schließlich auf einem Erwachen für die Kopfzentren fußt, welche natürlich die unteren Bereiche weiterhin einschließen und sie zur Vollendung führen. 

Innerhalb dieses Systems, dessen Gesetzmäßigkeiten und Zuständigkeitsbereiche wir in uns genau studieren können, haben wir während unserer Arbeit zwei wichtige und schwierige Übergangspunkte entdeckt, den Sterbepunkt zwischen Solarplexus und Herz und den Stille-,
Macht- oder Wahnsinnspunkt in der Mitte des Kopfes, welche beide im Erwachen für unsere
Ganzheit, für die Energie, die wir sind, eine wichtige Rolle spielen, sozusagen Prüfstationen, Teststationen sind, für unsere Reife und Fähigkeit in einen nächsten Bereich unbeschadet vorzudringen. Sie liegen zwischen den Bereichen der egozentrischen und Herzpersönlichkeit bzw. zwischen der letzteren und der spirituellen Wesenheit und bilden die wesentlichen Transformationsebenen in uns. 
Beim ersten Übergang, den wir hier anschauen wollen, beim Sterbepunkt zwischen Solar und Herz, geht es um das Erwachen aus der begrenzten, objektivbezogenen egozentrischen Persönlichkeit für die erwachsene ganze Herzpersönlichkeit. Beim zweiten Übergang im Kopf, am Macht-, Stille- oder Wahnsinnspunkt geht es dann um ein Erwachen der ganzen Persönlichkeit für die spirituelle Wesenheit in uns. 

Am Sterbepunkt wird der Wille transformiert, das heißt, wir werden getestet, ob wir den ersten Schritt schon gemacht haben. Das heißt, ob wir das Leben, das Schicksal als Herausforderung, als Aufgabe annehmen können, ohne mit dem üblichen Gefühl der Abwehr, welche aus dem egozentrischen Bereich kommen, wie Selbstmitleid, Ärger, Frustration etc. reagieren zu müssen. Am Stillepunkt legen wir dann alle Konzepte über das Selbst nieder, realisieren, dass das Selbst lediglich eine Idee ist, die verändert oder sogar ganz aufgegeben werden kann. Durch beide Schritte des Loslassens wird die nötige Energie in uns frei, welche wir für die volle Entfaltung der Wahrnehmung brauchen. 
Der Transformationsschritt am Sterbepunkt scheint uns nicht nur der zentrale Schritt für die meisten einzelnen Menschen, sondern damit auch für die Menschheit als Ganzes zu sein. Soweit eine ganz kurze Zusammenfassung über unser Energiesystem, wie es sich uns aus der psycholytischen Arbeit und der Selbstforschung überhaupt erschlossen hat. 
Gleich zu Beginn ist es wichtig, darüber klar zu sein, dass wir hier von Tatsachen und Fakten reden wollen, nicht von Meinungen. Meinungen auszutauschen ist sehr oberflächlich und führt nicht weit. Natürlich ist die Beschreibung dieser Tatsachen, dieser Wirklichkeit unsere persönliche, geprägt von unserem persönlichen Hintergrund. Gleichzeitig sind aber die Fakten, die wir beschreiben, allgemein gültige Wahrheiten, die jeder von uns jederzeit in sich verifizieren kann. Sich selbst zu erkennen, die Wahrheit zu erforschen ist gewissermaßen ein wissenschaftliches Experiment, das jederzeit, wie es sich für ein solches gehört, von jedermann und jeder Frau wiederholt werden kann. Wir sind der Meinung, dass jeder und jede auch zu den gleichen Ergebnissen gelangen wird, auch wenn er diese mit anderen Worten, die seinem Hintergrund entsprechen, beschreiben wird, sofern er die Untersuchung überhaupt durchführt. Das Instrument zur Untersuchung ist dabei unsere Wahrnehmung und die Fähigkeit zur Einsicht; das Experiment gehört zur intuitiven Wissenschaft. 
Nur aber, vor diesem Hintergrund, zum eigentlichen Anliegen, zum nächsten Schritt in diesem Erwachen für unsere innere Wahrheit, den wir persönlich und kollektiv zu machen haben, wenn wir die aktuelle planetarische Krise bewältigen wollen.    

Vom Sterbepunkt in unserem Energiesystem:
Der Solarplexus, das Zentrum des Willens, ist seit langer Zeit das zentrale Energiezentrum, aus dem heraus der Mensch lebt. Becken und Bauch, Sexualität und Wille bilden zusammen das Zentrum der abgegrenzten Persönlichkeit, auf dem sich unser Ego begründet. Aus diesem begrenzten Verständnis unserer selbst heraus haben wir persönlich und kollektiv bisher gelebt.
Becken und Bauch sind relativ unbewusste, kindliche Zentren, die Kinder in unserem
Energiesystem. Das erklärt auch, warum die Welt aussieht wie ein großer, selbst-organisierter Kindergarten, in dem es keine Kindergärtnerin gibt. Die Unordnung, die wir dabei zusammen angerichtet haben, bringt uns zunehmend in eine solche Not, dass wir nicht umhinkommen werden, für etwas Umfassenderes als diese für sich allein unreifen Ebenen zu erwachen. Unreif oder kindlich benutze ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht als Schimpfworte.

Die Sexualität und der Wille sind wunderbare, notwendige Instrumente. Welche in keiner Weise minderwertig sind gegenüber anderen, sogenannten höheren Zentren. Im Gegenteil bilden sie den Nährboden, aus dem diese hervorwachsen. Nun, die nächste Ebene, welche den Willen und die Sexualität umfasst und ihnen eine neue Richtung gibt, ist das Herzzentrum. Das bewusste Leben aus dem Herzen macht den Menschen erst richtig zum Menschen, zu einem mitfühlenden, sorgenden, liebenden und tragenden Wesen. Nicht mit dem Herzen werden wir uns aber hier beschäftigen, sondern mit dem Übergang vom Solar zum Herzen, mit diesem Entwicklungsschritt, der damit beginnt, dass der Zauberlehrling durch die unkontrollierbaren Kräfte, die er vom Solar aus in Bewegung gesetzt hat, in große Not kommt. Die Welt liegt heute in Agonie, weil dieser Schritt in unserer Entwicklung ein unabdingbarer geworden ist. Wo man hinschaut, in jedem Winkel der menschlichen Gesellschaft, sieht man, dass uns die Wege des Willens, des egohaften, eigensüchtigen Strebens nicht mehr weiterführen, sondern die Katastrophe weiter mehren, und dass ein Quantensprung auf eine andere Ebene des Seins unbedingt nötig geworden ist, wenn wir uns nicht selbst vernichten wollen. Die nächste Ebene, die wir uns hier anschauen wollen und die nächste Ebene für die Menschheit, die jeder einzelne bewusst in sich zu integrieren hat, ist das erwachte Herz, das Zentrum von Liebe und Gemeinschaft, und damit die voll erwachte, erwachsene Persönlichkeit, der ganze Mensch, der sich nicht als abgegrenztes Objekt, sondern durch sein Bezogensein definiert. 

Nicht die Spiritualität, nicht die Kopfzentren, wie so viele heute meinen, wie die esoterischen Schulen behaupten sind unser nächstes Ziel. 
Das ist ein großer Irrtum. Das würde uns gerade passen, das Herz auslassen zu können, den Preis, den es kostet, nämlich erwachsen, verantwortlich und mitfühlend zu werden, nicht bezahlen zu müssen und trotzdem ins Paradies eintreten zu können. Eine faire, verwirklichte Gemeinschaft ist die Grundlage für ein nüchternes, spirituelles Erwachen. Alles andere ist Illusion. Dieser Schritt, der Schritt über den zweiten großen Transformationspunkt in unser Energiesystem, dem Stillepunkt im Kopf, wird uns als Menschheit erst beim nächsten großen Übergang beschäftigen in einigen tausend Jahren.
Nicht mit dem Herzen wollen wir uns aber hier beschäftigen, sondern mit diesem Schritt, der uns überführt vom Solar zum Herzen, von der abgegrenzten, egozentrischen Persönlichkeit zur voll erwachten, erwachsenen Persönlichkeit. Dies ist der zentrale Schritt im Leben der meisten Menschen, der zu tun ist, weil es der zentrale Schritt der Menschheit überhaupt ist, der im Moment fällig geworden ist. Wenn ich von Moment rede in Bezug auf die Menschheit, denke ich in großen Zeitabschnitten. Zumindest Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende. Wir befinden uns mitten drin in dieser Entwicklung, und bis sie vollzogen ist, werden sicher noch zwei- oder viertausend Jahre verstreichen.
Es scheint, dass vor jedem solchen Schritt ein Weltlehrer auftaucht, der uns das Programm verkündet, dem wir dann folgen können durch viele Irrtümer und Verwirrungen hindurch, bis wir den Schritt, der zu tun ist, integriert haben. Der Weltenlehrer war da, das Programm liegt vor – ich weiß zwar nicht, ob Sie, und damit die Menschheit es überhaupt zur Kenntnis genommen haben -, hier befassen wir uns mit Integrationsarbeit. 
Weil dieser Übergang ein so zentraler Schritt ist, wollen wir uns hier speziell mit ihm beschäftigen. Es geht ums Sterben! Es geht dabei wie bei jedem solchen Schritt ums Sterben. Und es geht um den Transformationsprozess, der damit beginnt. Was sterben muss, ist der Eigennutz, der isolierte, für sich allein operierende Wille. Seine Zeit ist vorbei; er muss seine Macht abtreten, und das fällt ihm natürlich schwer. Deshalb ist der Tod, das Sterben ja auch so verdrängt unter uns Menschen. Die Persönlichkeit des Menschen, die sich aufbaut aus dem Erwacht-sein aus dem Becken und Bauch und sich versteht als ein abgegrenztes, für sich allein bestehendes Individuum, will um jeden Preis überleben. Das erwachende Bewusstsein von sich selbst führte aber in unserer Evolution auch zu einem gewaltigen Schock über das unweigerliche Ende des Selbst, welches darauf in einem über Jahrtausende dauernden Prozess unterdrückt und verdrängt wurde. 
Dies war die erste notwendige Hälfte des Weges zum Erwachen im Herzen. Das Ergebnis, weil die Verdrängung natürlich nicht ganz möglich war und ist, sind all unsere Mythen und religiösen Erzählungen von einem Überleben nach dem Tod, von einem Paradies, in dem das Individuum nicht nur überlebt, sondern endlich zu seiner völligen Entfaltung kommen kann. Auch die heutigen esoterischen Hoffnungen und Glaubensinhalte, die in diese Richtung weisen, versuchen, hoffentlich ein letztes Mal, das Individuum in seinem Todeskampf zu stärken und ihm ein glorifiziertes Überleben in einem höheren Selbst oder etwas Ähnlichem zu versichern.

Natürlich stirbt der Wille beim Übertreten dieser Schwelle zu Bereich des Herzens nicht wirklich. Er erkennt eher seine Beschränktheit, nimmt seinen bescheidenen Platz ein, ist bereit, sich als Werkzeug etwas Größerem zur Verfügung zu stellen. Dies ist die zweite Hälfte des Weges zum Erwachen im Herzen.
Mit dem Willen haben wir uns in eine große Notlage gebracht. Dadurch hat ein Erkennen eingesetzt. Aber bis alle Einsicht, die damit zusammenhängt, integriert ist in jedem einzelnen und damit dann in der ganzen Menschheit, wird nochmals eine lange, lange Zeit vergehen. Unser Ego erlebt aber diesen Schritt, dieses Erwachen für dieses Größere, das es noch nicht kennt, als ein Sterben und realisiert erst nach dem Durchbruch, dass es eigentlich mehr eine Geburt war. 
Erst wenn dieser Schritt vollzogen ist, wird der Vogel der Wahrnehmung frei im Herzen und beginnt sich zu seinem unbegrenzten Flug zu erheben, was wir dann als Spiritualität bezeichnen können. Als einzelne könne wir diesen Schritt natürlich jederzeit schon tun und damit, da wir letztlich nicht getrennt sind, das Erwachen der Menschheit vorbahnen. 

Vom Willen: Die Gesetzmäßigkeiten der Solarebene:
Ein bewusstes Sterben vollzieht sich in drei Schritten. Der erste ist dieser Übergang von der Solar- zur Herzebene, zu einer neuen Zentrierung des Menschen. Der zweite vollzieht sich, wenn ein Mensch für die energetischen Ebenen des Kopfes erwacht und diese überschreitet. An diesem Übergang wird nicht nur der Wille niedergelegt, sondern alle gedanklichen Konzepte und Bilder, welches die Wirklichkeit in ein letztlich zu enges Korsett eingefangen haben. Dieser Schritt ist für die Menschheit als Ganzes noch lange nicht aktuell, obwohl ihn einzelne immer wieder machen werden. Sie gehen dabei einen einsamen Weg und bahnen damit die Zukunft der Menschheit vor. Der dritte Schritt ist dann unser wirklicher, physischer Tod, bei dem wir uns trennen müssen vom Körper und allem, was mit ihm verbunden ist. Ein bewusstes physisches Sterben ist uns nur möglich, wenn wir in unserem Leben die beiden ersten Schritte bewältigen konnten. Von den letzten beiden Schritten werden wir im Moment nicht sprechen, sondern nur vom ersten. Ich erwähne sie nur, um die Analogie zum physischen Sterben bei diesem ersten Übergang besser erklären zu können.

Der Wille geht zusammen mit allen Beherrschenden, Kontrollierenden in uns. Wenn er in einem Feld operieren versucht, das ihm nicht zusteht, ist er begleitet von dem abwehrenden Gefühlen wie Hass, Neid und Eifersucht. Deshalb dominieren diese Gefühle auch in der Welt. Im Lebendigen hat der Wille nichts zu suchen. In den Beziehungen zum Beispiel hat er nichts zu suchen. Krieg und Konflikt sind sein Ausdruck, wenn er Dinge zu beherrschen versucht, welche seine Möglichkeiten überschreiten. Das ist genau das, was wir überall sehen in der Welt. 
Nehmt nur das Drogenproblem als Beispiel: Mit immer noch mehr und noch mehr vom Gleichem versuchen wir diese Schwierigkeit unter Kontrolle zu bringen: mit Repression, Verboten, Strafaktionen. Wir bauen dabei riesige Kontroll- und Verfolgungsapparate auf, mit welchen wir aber durchwegs allen gescheitert sind. Im Gegenzug sehen wir uns gezwungen, ebenso riesige Helfermaschinen zu kreieren, die auch nichts auszurichten vermögen. Und auf der anderen Seite schaffen wir damit illegale Maschinerien, von ebenso immensen Ausmaßen wie die Drogenmafia, Geldwäscherei, Kriminalisierung, etc. Offensichtlich braucht es einen Durchbruch in eine andere Richtung. Aber der Wille ist uneinsichtig. Er bäumt sich immer wieder auf und versucht, mit noch stärkeren Kontrollen, noch gewaltigeren Maßnahmen dem Problem Herr zu werden. Er will siegen. Das ist sein Gesetz. Aber, sofern er nicht in seinem Bereich bleibt, findet er dabei letztlich immer die Niederlage. Das gehört auch zum Gesetz.
Denn dadurch bricht eine neue Dämmerung an.
Dies ist nur ein Beispiel, ihr findet unzählige davon in unserer heutigen Welt. Überall ist Krieg, weil der Wille etwas zu lösen versucht, was nicht seiner Macht untersteht. Wir ersticken immer mehr in gewaltigen und letztlich doch ineffektiven bürokratischen Maschinerien, mit welchen der Wille versucht, seine Diktatur aufrecht zu erhalten. Einsichtige Menschen erkennen schon lange, dass die Lösung auf einer ganz anderen Ebene liegt und sich auch irgendeinmal durchsetzen wird, nämlich dann, wenn der Wille sich wirklich mit seinem Tun in eine Agonie gepowert hat. Deshalb scheint es ja auch, dass die Menschheit nicht an diesem Tiefpunkt vorbeikommen wird. Der Wille wird nicht aufgeben, bevor er nicht wirklich am Ende ist. Und am Ende ist er, wenn alles zerstört ist, so dass er sich den Ast, auf dem er sitzt, selbst abgeschnitten hat. 

Die Lösung des Herzens für all diese vielschichtigen menschlichen Probleme, können wir wieder an Hand des Drogenproblems als Beispiel verstehen. Die Lösung ist eigentlich ganz einfach: Man gibt die Verantwortung zurück zum einzelnen, da wo sie hingehört. Man mischt sich nicht ein. Jeder soll die Drogen einnehmen, die er halt will. Dadurch verschwinden die ganzen aufgeblasenen Kontrollapparate und auch die Helferinstitutionen. Dadurch bricht auch der ganze illegale Handel zusammen. Andererseits können die Staaten die Herstellung, Vertreibung und den Verkauf der Drogen an die Hand nehmen, saubere Angebote machen und Steuern daran verdienen. Damit bekommt der Wille den Platz, der ihm zusteht, und damit wäre der Teil des Problems, der aus dem aufgeblasenen Willen resultiert, gelöst.
Nun bleibt natürlich noch das wirkliche Problem dahinter, das nun sichtbar werden kann: Wir sind eine süchtige Gesellschaft, durch und durch eigensüchtig. Süchtig ist man, wenn man verzweifelt etwas sucht, das einem fehlt, ohne zu wissen, was es ist, und ohne es finden zu können. Was uns fehlt, was uns allen fehlt wird offensichtlich, sobald dieses Erwachen im Herzen stattfindet. Wir haben alle nicht genug Liebe, nicht genug Geborgensein, wir fühlen uns nicht getragen im Netzwerk unserer Beziehungen. Es liegt daran, dass wir nicht füreinander sorgen, sondern in unserer ständigen Betonung der Eigenwilligkeit, der Eigensucht unser ganzes gesellschaftliches System auf Ehrgeiz, Gier, Neid und Konkurrenzdenken aufgebaut haben. Wir arbeiten gegeneinander statt füreinander. Wir sorgen nicht füreinander. Das mag irgendeinmal sogar Sinn gemacht haben in unserer Entwicklung, heute macht es sicher keinen mehr. Jeder intelligente, denkende Mensch sieht, dass ein Schritt zum Sorgen füreinander unumgänglich geworden ist, dass es uns als einzelnen nur gut gehen wird, wenn wir dazu schauen, dass es allen gut geht, und wenn alle lernen, dafür zu schauen, dass es allen gut geht. Wenn wir uns darum kümmern, werden die Symptome, wie eben zum Beispiel das Drogenproblem, ganz von selbst verschwinden. Es gibt keine Lösung für diese Probleme, es gibt nur ihre Auflösung. Wir müssen uns gar nicht darum kümmern; wir müssen uns ums wirkliche Problem kümmern. Damit entziehen wir dem Symptom ganz von selbst die Energie; es fällt in sich zusammen.
Am Ende, um beim Drogenproblem als Beispiel zu bleiben, wird dann jeder und jede in eigener Verantwortung diejenigen ekstatischen Mittel benutzen, die ihm eben gut tun und auch so damit umgehen lernen, dass weder für ihn noch die Gesellschaft daraus Probleme entstehen. Dadurch wird das Drogenproblem nicht mehr ein Problem sein, sondern ein Quell der Freude, eine Quelle vielfältiger, kultureller Rituale, welche der Ekstase als Ausdruck unserer Lebensfreude wieder einen Platz in unserem Leben geben.

Wenn wir nun betrachten, welches die wesentlichen Faktoren sind, welche das Vorgehen des Willens und das Vorgehen des Herzens in diesem Problemkreis kennzeichnen, werden wir verstehen, worum es bei diesem Schritt des Sterbens vom Solar zum Herzen geht. Der Wille tut ständig etwas, er kontrolliert, dominiert, beherrscht. Das Herz lässt los, es tut nichts. Es überlässt sich. Der Wille reißt die Verantwortung an sich, er will Abhängige schaffen, um dominieren zu können. Das Herz betont die Eigenverantwortung, gibt sie dahin zurück, wo sie hingehört. Es lässt auch im Stich, wenn es nötig ist, weil es selbst das ImStich-gelassen-Sein annehmen kann, wie wir noch sehen werden. Der Wille hat ein Konzept; er versucht, alles diesem Konzept zu unterwerfen. Was sich fügt, gehört zur eigenen Partei und wird beschützt, was sich weigert, ist der Feind und wird bekämpft. Das Herz achtet und respektiert das So-sein eines jeden, interessiert sich dafür und trägt Sorge dazu. Der Wille grenzt sich ab; das Herz öffnet sich. Der Wille dreht sich um das Eigene, das er gegen das Ganze durchzusetzen versucht; das Herz vertritt dieses Ganze, indem es dem Eigenen darin seinen Platz zu geben versucht. Und so weiter. 
All dies gilt natürlich nicht nur für das Drogenproblem, sondern für alle Konflikte, die daraus entstanden sind, dass der Wille etwas lenken will, was ihm nicht zusteht. Wir könnten dies an jedem beliebigen Beispiel in unserer Welt anschauen. Ich habe einfach eines gewählt, das ich gut kenne. Andere sind die Umweltverschmutzung, das Asylantenproblem, Religionskriege, aber auch kleinere wie Beziehungsschwierigkeiten, Konflikte zwischen Mann und Frau, etc. etc.

Die Lösung des erwachten Herzens ist Liebe, in jedem Fall, immer, überall. Seine Antwort auf alles ist Liebe, das heißt, ein reaktionsloses, nüchternes Betrachten von und Anteilnehmen an allem. Wenn Liebe da ist, gibt es keine Konflikte. Wenn Liebe da ist, können wir tun, was immer wir wollen, es wird immer Freude schaffen, immer richtig sein. Wenn sie nicht da ist, wird all unser Tun Leid erzeugen, und jeder Versuch, es zu beseitigen, wird noch mehr davon hervorbringen. Wenn Liebe da ist, wird alles ganz einfach. Dann fliegt der Vogel frei im Herzen. Und das ist nur der Anfang. Sein Flug erhebt sich weit über das Herz hinaus und kennt keine Grenzen.

Von Liebe und Gemeinschaft: Die Gesetzmäßigkeiten der Herzebene:
Wenn der Wille allein operiert, ohne das Herz, wird er stur und eng und letztlich unlebendig, mechanisch. Wenn das Herz allein operiert und ihm der Wille als Werkzeug verloren gegangen ist, verliert es sich im Oberflächlichen, Seichten. Meisterschaft ist die Einheit von Wille und Herz, in der alles seinen richtigen Platz bekommt. Ein Wille, integriert in ein erwachtes Herz, ist der beständige Impuls das Bessere zu schaffen. Das Herz schafft dazu den
Ausgleich, indem es sich immer wieder “willenlos“ dem ergibt, was tatsächlich ist.
Meisterschaft heißt, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Planung/Kontrolle und sich dem Leben überlassen, ein Gleichgewicht zu finden, zwischen das Leben meistern und sich von ihm an der Hand nehmen lassen, ein Gleichgewicht zu finden, zwischen ein Ziel verfolgen (das ist der Wille) und dann auch wieder den Fluss des Lebens einfach hinzunehmen (das ist das Herz). 
Finde ein Gleichgewicht zwischen Herz und Bauch, das ist die Einheit von Herz und Bauch!

Wenn wir nun auch noch beachten, welche Gefühle mit dem Übergang von der Ebene des Willens zur Ebene des Herzens verbunden sind, wird uns klarer werden, warum wir uns so sehr gegen das Sterben wehren. Der Wille geht zusammen mit den siegreichen Gefühlen, dem Dominieren, dem Gewinnen, dem Herausragen, haben wir gesagt. Das sind aber auch die abwehrenden Gefühle wie Neid, Hass und Eifersucht, sofern der Wille in Prozesse einzugreifen versucht, die nicht seiner Kontrolle unterstehen. Der Wille will sich stark fühlen, und wenn ihm das nicht möglich ist, rettet er sich in die negativen Gefühle, die ihm auch im Unterlegensein eine Stärke erlauben. Damit verrennt er sich schließlich nach langen Kriegen so sehr, dass er kapitulieren muss. Das Kapitulieren, das Einsehen seiner Grenzen, das Eingeständnis des Unvermögens geht zusammen mit Ohnmacht, Ausgeschlossensein, Verlassensein, Im-Stich-gelassen-sein. Im innersten Kern dann die Einsamkeit. Es sind dies die Herzgefühle, welche mit dem Erwachen des Herzens zusammen gehen, gewissermaßen den Eingang zu seiner Entfaltung bilden. Diese Gefühle will der Wille nicht haben, sie müssen verleugnet, ihre Möglichkeit ausgeschlossen sein. Es sind genau die Gefühle, die der Drogenabhängige in der Welt manifestiert, um noch einmal das Drogenproblem als Beispiel heranzuziehen. Es sind die Gefühle, mit welchen uns alle Probleme in der Welt letztlich konfrontieren.
Nun sieht aber nur vom Zentrum des Willens aus betrachtet die Niederlage so trostlos und hoffnungslos aus; vom Zentrum des Herzens aus gesehen, ergibt sich ein ganz anderer Blickwinkel. Denn das Herz hat kein Problem, sich zu ergeben, sich hinzugeben, sich zu überlassen. Das ist genau die Lebensart in diesem Bereich unserer Seele. Deshalb findet hier die Verwandlung statt. Die Ohnmacht des Kriegers wandelt sich in die glückselige Hilflosigkeit des Säuglings, das Ausgeliefertsein transzendiert ins Aufgehobensein. Dort wo Widerstand dominierte, kommt es zur Hingabe. Das, was wie ein Tod ausgesehen hat, wird zur Geburt in einen umfassenderen Bereich hinein. 

Der Wille, der sich als alter Kämpfer sah, welcher jede Schlacht gewinnen muss, sieht sich plötzlich als kleines Kind, willkommen geheißen von Vater und Mutter. Das ist Sterben! Mit dem sich wehrenden Willen bis in die Agonie hinein zu gehen, um am Punkt des Zusammenbruchs dann die Erfahrung machen zu dürfen, dass man als verlorener Sohn zu Hause aufgenommen wird, in einen viel schöneren Bereich, in dem man nichts mehr verteidigen muss, sondern in dem alle füreinander sorgen.
Das Denken, das mit dem Willen einhergeht, das davon ausgeht, dass es alles kontrollieren, ganz allein zum Rechten schauen müsse, bricht zu Gunsten eines gemeinsamen Denkens zusammen, eines füreinander Denkens, das vom isolierten Bereich des Willens her gesehen als unvorstellbar, höchstens als ein sektiererischer Wahn erscheint.
Die Einsicht in diese neue Möglichkeit, wenn die alte Art des Denkens zusammenbricht, die Einsicht auch in die Sinnlosigkeit des unendlichen Kampfes, der zuvor geführt wurde, geht zusammen mit einer großen Trauer, einer heilsamen Trauer, welche das Erwachen des Mitgefühls im Herzen darstellt. Der unendliche Schmerz über das Verpasste, über das in Sturheit und Festhalten Zerbrochene reißt das Herz weit auf und ist in seiner Qualität schon identisch mit der Liebe, welche durch den Riss nun eindringt. Wenn alle Einsicht integriert ist, ist auch aller Schmerz integriert. Dann ist das Herz voll, völlig geöffnet. Dann hat der Schmerz ein Ende, weil er rund geworden ist und weil ein ganzer Schmerz, eine ganze Verzweiflung identisch ist mit der Liebe. Die Liebe fürchtet das Ausgeschlossensein nicht mehr. Sie kämpft nicht mehr für das Eingeschlossen-werden. Sie selbst ist Heimat. Sie trägt das, was ausschließt. Sie bekämpft die Liebesgeschichten der anderen nicht, weil sie sich davon nicht ausgeschlossen fühlt. Sie beschützt sie, fördert sie, nimmt Anteil daran. Wer die Liebe im Herzen trägt, ist immer eingeschlossen, er schließt immer ein, er ist Heimat für sich selbst und für alles, was er berührt. 

Vom Transformationsprozess:
Damit kommen wir zum Transformationsprozess, welcher bei diesem Übergang am Sterbepunkt vom Solar zum Herzen einzusetzen beginnt oder in den wir uns vielmehr durch unser Erwachen einklinken können. Das ist das eigentliche Ziel dieses Schrittes, ein Eintreten in unsere Aufgabe und Berufung. Erwachen, das ist Aufmerksamkeit. Sie führt zu Einsicht, und diese führt schließlich zu einer Transformation auf der Energieebene. 
Das Nicht-tun, welches wir in diesen Sterbeprozess lernen, ermöglicht eine energetische Verwandlung, zuerst in uns und dann in der Welt. Alle negativen, abwehrenden Gefühle, alle unruhigen, zerstreuten Energien werden in diesem Nicht-tun ganz von selbst gesammelt, zentriert und unentwegt gewandelt, in zentrierte ruhige und harmonische Grundenergie zurückgeführt. Wenn dieser Prozess in uns persönlich vollzogen ist, hört er aber nicht auf. Wir werden dann zu Energiegeneratoren, welche heilend, beruhigend auf die Welt einwirken, wo immer wir sind. Unentwegt schaffen wir Stille, verbreiten wir Liebe, ohne dass wir irgendetwas dazu tun müssten. Das ist unsere Aufgabe, unsere Berufung, unser Kreuz auch. Wenn wir uns dieser Aufgabe ganz ergeben, völlig in sie hinein wachsen, kommt die Gnade des spirituellen Erwachens ganz von selbst zu uns. Währendem wir im Solar aufnehmen, was Heilung braucht, überall, immer, wo immer wir sind, und die gereinigte Energie, nachdem sie in uns durchgepflügt wurde, vom Herzen wieder ausstrahlen, beginnt sich darüber der Vogel zu erheben und ins Unendliche zu fliegen. Das ist Ekstase. 

Soweit also meine Ausführungen zum Sterbepunkt, diesen wichtigen Übergangspunkt beim
Erwachen für unser Energiesystem, aus dem wir für eine völlig neue Dimension des
Menschseins erwachen. Die alte, egozentrische, von Grenzen lebende Persönlichkeit stirbt an diesem Übergang zu Gunsten eines unbegrenzten, voll erwachten, verwirklichten Menschens, der erkannt hat, dass er und die Welt ein unteilbares Ganzes bilden. Dies ist meiner Meinung nach der nächste Schritt, den wir persönlich und kollektiv in unserem Alltag und unseren Beziehungen zu bewältigen haben, wenn wir die momentane planetarische Krise überwinden und als Chance nutzen wollen. 
Im Workshop, den ich zum gleichen Thema heute Nachmittag anbiete, werde ich versuchen, diese Einsichten zu vertiefen und vor allem sie mit lebendiger Erfahrung zu füllen. 




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